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Genetik und Vererbung

Ist Brustkrebs eigentlich vererbbar? Dass Brustkrebs erblich sein kann und dass man vorsorglich etwas dagegen tun kann, ist spätestens durch Angelina Jolies offenen Umgang mit ihrer BRCA-Mutation bekannt geworden. Angelina Jolie hat sich wegen ihres stark erhöhten Risikos für erblichen Brustkrebs beide Brüste entfernen lassen. Dies hat zu einem Ansturm auch an den deutschen Brustzentren geführt und die Nachfrage nach prophylaktischen Mastektomien deutlich gesteigert. Viele Frauen sind seitdem für das Thema „Vererbung von Brustkrebs“ sensibilisiert.

Prof. Dr. Pia Wülfing
Prof. Dr. Pia Wülfing

05.04.2023

Inhaltsverzeichnis

Genveränderungen

Krebs entsteht durch Veränderung der Erbinformation oder wie Fachleute sagen durch Mutationen der Gene. Tatsächlich ist aber nur ein kleiner Teil der Brustkrebs-Erkrankungen wirklich erblich bedingt. Die meisten krankmachenden Genveränderungen entstehen nämlich spontan. Auch wenn bei etwa einem Viertel der Brustkrebs-Patientinnen vermehrt Fälle in der Familie auftreten, lässt sich nur bei 5 – 10% dieser Frauen ein entsprechendes Gen als Ursache der Erkrankung nachweisen und der Brustkrebs gilt dann als vererbt. Gene, die das Risiko für Brustkrebs deutlich erhöhen, sind z.B. BRCA1 und BRCA2. Der Name dieser Gene „BReast CAncer“ kommt aus dem englischen und bedeutet Brustkrebs. Diese Gene sind eigentlich Reparaturgene, die Schäden an der Erbinformation, die spontan oder durch Umwelteinflüsse entstehen können, beheben. Wenn diese Gene verändert (mutiert) sind, funktioniert die Reparaturfunktion nicht mehr, so dass Krebszellen entstehen können (Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms, Langversion 4.4 – Juni 2021). Frauen, die ein solches Risikogen tragen (bei denen eine so genannte „Keimbahn-Mutation“ nachweisbar ist) erkranken viel häufiger und viel jünger als Frauen ohne ein solches Risikogen. Außerdem tritt Brustkrebs bei diesen Mutationsträgerinnen auch vermehrt in beiden Brüsten auf. Bei den meisten Risikogenen ist neben dem Brustkrebsrisiko auch das Risiko anderer Krebserkrankungen (z.B. Eierstockkrebs oder Darmkrebs) erhöht. Wichtig: Auch wenn Sie ein Risikogen geerbt haben, heißt dies nicht, dass Sie auf jeden Fall erkranken müssen. Zusätzlich zum erblichen Risiko spielen offenbar andere Faktoren (wie Lifestyle, Umwelteinflüsse etc.) eine zusätzliche Rolle.

Bei einigen Patientinnen kann kein krankheitsauslösendes Gen (wie BRCA1 oder BRCA2) nachgewiesen werden, obwohl in der Familie gehäuft Krebserkrankungen aufgetreten sind. Dann spricht man in Fachkreisen nicht von „genetischem oder erblichen Brustkrebs“, sondern von „familiärem Krebs“.

Wer vererbt Brustkrebs?

Sowohl Mutter als auch Vater können Träger einer Genveränderung sein. Das BRCA-Gen kann man also von Mutter oder Vater erben. Das Risiko, dass Mutter oder Vater ein BRCA-Gen weitervererben, liegt bei 50%. Der Erbgang wird als „autosomal-dominant“ bezeichnet. Aber selbst wenn Sie das Risikogen geerbt haben, bedeutet dies nicht, dass Sie auch wirklich erkranken müssen.

Wer sollte zur genetischen Beratung und zum Gentest?

Wenn eine Häufung an Krebsfällen in einer Familie vorliegt, empfehlen Experten bei bestimmten Risikokonstellationen ein Beratungsgespräch. Diese Beratung und auch ein eventuell sinnvoller Gentest werden in speziellen Zentren und humangenetischen Praxen angeboten.

Für den Gentest wird Ihnen etwas Blut abgenommen, das auf die bislang bekannten Risikogene untersucht wird. Der Nachweis eines Risikogens lässt keine Aussage darüber zu, ob eine Brustkrebserkrankung auftreten wird oder wie die Krankheit verläuft, sondern besagt nur, dass ein deutlich erhöhtes Risiko zu erkranken besteht. Umgekehrt schützt ein negatives Testergebnis auch nicht vor einer Erkrankung. Man geht davon aus, dass bislang etwa die Hälfte der krankmachenden Gene entdeckt wurde. Wenn bei Ihnen also trotz einer familiären Häufung von Brust- und ggf. Eierstockkrebs kein Risiko-Gen nachgewiesen werden kann, sollten Sie mit den Experten in der Humangenetik besprechen, ob und wann eine Wiedervorstellung sinnvoll ist.

Schützt eine Brustamputation vor erblichem Brustkrebs?

Wenn man (noch gesunde) Trägerin eines Risikogens ist, schützt nur die vorsorgliche Entfernung (prophylaktische Mastektomie) beider Brüste vor einer späteren Erkrankung. Bei der vorsorglichen Operation wird meist die Brustdrüse aus dem umgebenden Hautmantel „ausgeschält“ und durch ein Silikonimplantat, das unter den Brustmuskel platziert wird, ersetzt. Die Brustwarze und der Warzenhof bleiben (anders als bei der Amputation bei einer Brustkrebs-Erkrankung) erhalten. Die vorsorgliche Brustamputation senkt das Risiko einer Erkrankung um 95%. Es verbleibt also ein sehr geringes Restrisiko, da immer noch etwas Gewebe (unter der Haut) verbleibt und nicht entfernt werden kann. Auch das Risiko, an einer späteren Brustkrebserkrankung zu versterben, wird um 90% reduziert.

Bei BRCA-Mutationen ist auch das Risiko für die Erkrankung an Eierstockkrebs deutlich erhöht. Insofern werden Ihre behandelnden Ärzte Ihnen auch zur vorsorglichen Entfernung beider Eierstöcke raten. Da Eierstockkrebs eher später auftritt reicht eine Operation um das 40. Lebensjahr oder nach abgeschlossener Familienplanung. Durch die Entfernung der Eierstöcke wird das Erkrankungsrisiko an Eierstockkrebs um 97% gesenkt. Und auch das Risiko für eine Brustkrebserkrankung sinkt nach dieser Operation aufgrund des Wegfalls der Hormonproduktion und das frühzeitigere Einsetzen der Wechseljahre um 50%.

Intensivierte Früherkennung als Alternative zur prophylaktischen Brustentfernung

Natürlich ist die Entfernung beider Brüste nicht der einzige Weg für Frauen mit einem hohen familiären Risiko bzw. Nachweis eines Risikogens. Eine Alternative zur Operation ist eine intensivierte Früherkennung, bei der mehr und häufiger Untersuchungen als bei einer regulären Vorsorge durchgeführt werden. Durch eine solche intensivierte Früherkennung kann die Entstehung von Brustkrebs (anders als bei einer vorsorglichen Brustamputation) nicht verhindert werden, aber man kann Brustkrebs sehr früh erkennen und dadurch die Möglichkeiten der Therapie und die Prognose verbessern.

Da Frauen mit Risikogenen oder familiärem Brustkrebs viel jünger erkranken, beginnt die intensivierte Vorsorge auch deutlich früher als in der Allgemeinbevölkerung. Experten empfehlen, dass Frauen aus Risikofamilien schon mit 25 Jahren mit dem Früherkennungs-Programm beginnen oder 5 Jahre vor dem jüngsten Erkrankungsalter einer betroffenen Verwandten. Während Brustkrebs mit den bildgebenden Verfahren (Mammographie, Sonographie und MRT), wenn diese kombiniert werden, meist früh erkannt werden kann und dann gute Heilungschancen hat, ist die Früherkennung von Eierstockskrebs sehr schwierig. Sollten Sie Trägerin eines Gens, das auch das Eierstockkrebs-Risiko erhöht, sein, besprechen Sie mit Ihren behandelnden Ärzten die Optionen einer vorsorglichen Entfernung der Eierstöcke.

Bei Frauen mit hohem familiärem Risiko sollten die folgenden Früherkennungsmaßnahmen regelmäßig durchgeführt werden:

  • Ärztliche Tastuntersuchung der Brüste halbjährlich
  • Ultraschall der Brüste (Mammasonographie) halbjährlich
  • Röntgenuntersuchung der Brüste (Mammographie) jährlich
  • Kernspintomografie (MRT) der Brüste jährlich

Behandlung von Brustkrebs bei Frauen mit genetischem Risiko

Die Therapie einer Brustkrebserkrankung bei Frauen, bei denen eine genetische Brustkrebsveranlagung besteht, folgt den allgemeinen Leitlinien (AGO, S3) zur Therapie des Mammakarzinoms.

Bei der Festlegung der optimalen Operationsmethode muss die Entscheidung mitdiskutiert werden, ob eine vorsorgliche Brustentfernung (prophylaktische Mastektomie) von der Patientin gewünscht wird, um das spätere Wiedererkrankungsrisiko, das aufgrund der Genveränderung deutlich höher ist als bei Frauen ohne Genmutation, zu reduzieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass erneut Brustkrebs auftritt, wird durch die prophylaktische Mastektomie deutlich gesenkt. Da die meisten bisherigen Studien aber nicht zeigen konnten, dass sich durch eine vorsorgliche Brustentfernung auch das Überleben verbessert (also die Sterblichkeit verringert wird), wird keine generelle Empfehlung zur vorsorglichen Brustentfernung ausgesprochen. Lassen Sie sich individuell und umfassend von Ihren behandelnden Ärzten hierzu beraten!

Für die medikamentöse Therapie (Chemotherapie, Antikörpertherapie, Antihormontherapie etc.) gibt es beim frühen Brustkrebs noch keine besonderen Behandlungsempfehlungen für Frauen mit Risikogenen. Etwas anders ist die Situation beim fortgeschrittenen Brustkrebs: In der metastasierten Situation sind die sogenannten PARP-Inhibitoren zur Therapie zugelassen, wenn eine BRCA-Mutation nachgewiesen wurde (Quelle: AGO Leitlinie, Kommission Mamma).

Wir empfehlen Ihnen in jedem Fall eine Behandlung in einem zertifizierten Brustzentrum mit entsprechend spezialisierten Ärzten.

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