Welche Besonderheiten gibt es bei jungen Brustkrebs-Patientinnen?
Der Altersdurchschnitt bei Brustkrebserkrankung liegt nach wie vor bei 64 Jahren. Junge Brustkrebspatientinnen sind eine Minderheit, die allerdings größer wird.
Mögliche Ursachen für die zunehmenden Erkrankungsfälle in jüngeren Jahren könnten Risikofaktoren wie Rauchen oder Übergewicht sein. Auch ein Einfluss von Hormonen wird diskutiert: die Einnahme der Pille scheint das Risiko zu erhöhen – je länger die Einnahme desto höher das Risiko.
Junge Patientinnen haben oft - aber nicht immer! - eine ungünstigere Tumorbiologie mit schlechterer Prognose. Warum ist das so?
- Junge Patientinnen tragen häufiger die vererbten Brustkrebs-Gene BRCA 1 oder BRCA 2 und wissen meist nichts davon.
- Es gibt für Frauen unter 50 keine gezielte Brustkrebs-Früherkennung. Das Mammographie-Screening in Deutschland startet erst mit 50 Jahren.
- Und junge Frauen erwarten auch einfach nicht, dass sie Krebs bekommen könnten, denken also nicht so selbstverständlich an eine regelmäßige Selbstuntersuchung wie vielleicht ältere Frauen. Und interpretieren einen „Knubbel“ in der Brust meist eher unbesorgt (oft ist es ja auch harmlos). Dabei steigt das Risiko an Brustkrebs zu erkranken schon ab 25 Jahren.
- Im dichten Brustgewebe jüngerer Frauen ist es schwerer, einen kleinen Krebsknoten zu ertasten oder auch mittels Mammographie oder Ultraschall zu erkennen. Dazu kommen noch die Zyklus-abhängigen Veränderungen der Brust, Zysten etc.
- Dadurch wird bei jungen Frauen Brustkrebs meist viel später entdeckt als bei Menschen über 50 Jahren und die Heilungschancen sinken.
- Junge Frauen erkranken häufiger an aggressiveren Brustkrebsarten.
Die Lokaltherapie (OP, Bestrahlung) bei Brustkrebs ist unabhängig vom Alter. Sie unterscheidet sich nicht wesentlich von Therapiekonzepten bei der älteren Patientin. Auch bei jungen Patientinnen gilt die leitliniengerechte medikamentöse Therapie, Chemo- und/oder Antihormontherapie, Antikörpertherapie, Immuntherapie – je nach Situation.
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Meist lässt sich keine Ursache finden, weshalb eine Patientin an Brustkrebs erkrankt ist. Und entgegen der Einschätzung vieler Patientinnen sind nur 5-10% der Brustkrebsfälle (also 5-10 von 100 Fällen) erblich, also durch eine Genveränderung, die von den Eltern weitergegeben wurde, bedingt. Bei jüngeren Patientinnen liegt der Anteil allerdings etwas höher. Diese Genveränderungen müssen Ei- oder Samenzellen betreffen, also eine so genannte Keimbahnmutation sein, um weiter vererbt zu werden.
Die bekanntesten Genveränderungen bei familiärem Brustkrebs betreffen die Gene BRCA1 und BRCA2. BRCA steht dabei für breast cancer gene (= Brustkrebs-Gen). Eine solche Genveränderung bewirkt, dass Reparaturmechanismen am Erbgut nicht so gut funktionieren und Krebszellen nicht aussortiert werden. Junge Patientinnen können sich genetisch beraten lassen. Dort wird berechnet, wie hoch das Risiko für ein familiäres Mammakarzinom ist und ob eine genetische Testung erfolgen kann (das ist dann eine Kassenleistung). Selbstverständlich ist diese Untersuchung freiwillig. Die genetische Testung ist dabei nicht nur im Sinne einer „Ursachenforschung“ oder für andere Verwandte wichtig, sondern auch für die Planung der Brustkrebstherapie. Und auch, weil bei BRCA1-Mutation oder BRCA2-Mutation ein erhöhtes Risiko für die Erkrankung an einem Eierstockskrebs (Ovarialkarzinom) besteht.
Patientinnen, bei denen eine genetische Veränderung gefunden wird, werden in Kenntnis des erhöhten Risikos natürlich intensiver nach- bzw. vorgesorgt. Und es werden Möglichkeiten besprochen, durch vorsorgliche (prophylaktische) Operationen, das Risiko, an weiteren Tumoren zu erkranken, zu verringern.
Die Zentren des Konsortiums für familiären Brust- und Eierstockskrebs und einige spezialisierte humangenetische Praxen sind auf die Beratung und Betreuung von Familien mit einer erblichen Krebserkrankung spezialisiert.
HIER finden Sie eine Checkliste, ob Sie ein erhöhtes genetisches Risiko haben.
Unsere Humangenetikerinnen zum Thema "Erblicher Brustkrebs"
Kinderwunsch
Vielleicht ist Ihre Familienplanung noch nicht abgeschlossen oder hat noch gar nicht begonnen. Da Chemotherapie-Medikamente die Eierstöcke (Ovarien) schädigen können und dadurch im schlimmsten Fall zur Unfruchtbarkeit führen können, gibt es das Angebot einer Fertilitätsberatung für jüngere Patientinnen. Ihr Brustzentrum überweist Sie hierzu in auf das Thema Kinderwunsch spezialisierte Zentren. Dort erhalten Sie alle Informationen über den Schutz der Fruchtbarkeit vor einer geplanten Chemotherapie. Hier stehen verschiedene Methoden zur Verfügung:
- Stimulation (Anregung) der Eizellreifung (ovarielle Stimulation) zur Gewinnung reifer Eizellen, die dann befruchtet oder unbefruchtet eingefroren werden können
- Einfrieren (Kryokonservierung) von Eizellen (unbefruchtet oder befruchtet)
- Vor einer Chemotherapie kann Eierstockgewebe entnommen werden, eingefroren werden und nach der Chemotherapie wieder transplantiert werden, sollten die Eierstöcke dauerhaft geschädigt sein.
- Zum Eierstockschutz können kurz vor der ersten Chemotherapie bis zum Ende der Chemotherapie-Zeit künstliche Wechseljahre eingeleitet werden. Dies passiert durch eine so genannte GnRH-Agonisten Spritze, die alle vier Wochen gegeben werden muss und die Eierstöcke in eine Art „Winterschlaf“ versetzt. Sie verhindert die Ausschüttung der Hormone LH und FSH im Gehirn, die sonst die Eizellreifung und Hormonproduktion in den Eierstöcken anregen.
Schwangerschaft nach Brustkrebs
Grundsätzlich ist es möglich, nach einer Mammakarzinomerkrankung schwanger zu werden. Dies gilt grundsätzlich auch unabhängig von der Hormonabhängigkeit (Hormonrezeptorstatus) des Brustkrebses. Wir wissen, dass eine Schwangerschaft nach Brustkrebs, wenn die Behandlung komplett abgeschlossen wurde und einige Jahre der Nachsorge ohne Hinweis auf einen Rückfall waren, den Verlauf der Brustkrebserkrankung (die Prognose) nicht verschlechtert. Wie schon zuvor erwähnt empfehlen wir Frauen im gebärfähigen Alter eine Beratung über den Erhalt der Fruchtbarkeit vor Therapiebeginn. Nach einer Brustkrebserkrankung kann auch mit Hilfe reproduktionsmedizinischer Verfahren eine Schwangerschaft angestrebt werden.
Mehr Details zum Thema Fertilitätserhalt nach Brustkrebs finden Sie HIER.
Verhütung
Sie dürfen unter der Chemotherapie, während der Zeit der Antihormontherapie und während der Strahlentherapie nicht schwanger werden. Diese Medikamente und die Strahlen wirken fruchtschädigend! Sie können zu Entwicklungsstörungen, Fehlbildungen und Fehlgeburten führen. Und sollte die Brustkrebstherapie wegen einer Schwangerschaft unterbrochen oder abgebrochen werden müssen, gefährdet dies den Behandlungserfolg.
Die Verhütungssituation wird zudem noch verkompliziert, da die Belastungen der Brustkrebserkrankung und -therapie zum (vorübergehenden) Ausbleiben der Monatsblutung (Periode) führen können (= Amenorrhoe), so dass die Möglichkeit einer Kontrolle des Zyklus wegfällt. Das Ausbleiben der Blutung (Amenorrhoe) garantiert aber nicht, dass Sie nicht schwanger werden können!
Daher sollten Sie das Thema unbedingt frühzeitig mit Ihrem Frauenarzt besprechen.
Hormonelle Verhütungsmethoden (Pille, Hormonspirale etc.) sind grundsätzlich nach Brustkrebs verboten, da die Hormone u.a. die hormonabhängigen Tumorzellen „füttern“ könnten.
Somit bleiben folgende Hormon-freie Verhütungsmethoden für Brustkrebspatientinnen:
- Barriere-Methoden (z.B. Kondom, Diaphragma)
- Hormonfreie Intrauterinpessare (Kupfer-Spirale, Kupfer-Kette)
- „Sterilisation“: Operative Durchtrennung der Eileiter (Tubenligatur) bzw. der Samenleiter des Partners (Vasektomie) bei Familien, die eine abgeschlossene Familienplanung haben (ist schwer rückgängig zu machen)
Die Wahl der Verhütungsmethode sollte individuell besprochen werden. Eine Kupfer-Spirale oder ein operatives Verfahren (bei abgeschlossener Familienplanung) zählen dabei zu den zuverlässigen Methoden gegen eine Schwangerschaft, während Barriere-Methoden nicht ganz so sicher sind.
Brustkrebs in der Schwangerschaft
Dass Brustkrebs während einer Schwangerschaft diagnostiziert wird, ist zum Glück extrem selten, kommt aber vor. Die Untersuchungsmethoden (Diagnostik) können grundsätzlich wie außerhalb der Schwangerschaft erfolgen (eine Schwangerschaft ist keine MRT-Indikation). Auch die Untersuchung anderer Organe wie Leber, Lunge und Knochen (Staging) kann erfolgen, wenn sinnvoll. Nur eine Knochenszintigraphie sollte aufgrund der Strahlenbelastung möglichst erst nach der Entbindung durchgeführt werden. Die Operation erfolgt bei Schwangeren ebenfalls wie bei Nicht-Schwangeren. Mit dem kleinen Unterschied, dass bei einer geplanten Wächterlymphknoten (Sentinel-Node)-Biopsie die Markierung des Wächterlymphknoten nur mit Technetium erfolgt. Sogar eine (neo-)adjuvante Chemotherapie kann ab dem zweiten Trimenon der Schwangerschaft, also ab dem 4. Monat, wenn die kindlichen Organe komplett angelegt sind, durchgeführt werden. Ob eine Chemotherapie erfolgen sollte oder nicht, wird wie außerhalb einer Schwangerschaft entschieden. Es gibt ausreichende Erfahrungen zum Einsatz von Antrazyklinen (AC / EC) und Taxanen (z.B. Paclitaxel), die die Sicherheit des Einsatzes in der Schwangerschaft belegen: d.h. das Kind wird nicht durch die Chemotherapie geschädigt! Für Platinsalze (Carboplatin, Cisplatin) gibt es bis jetzt noch keine ausreichenden Daten, so dass auf diese Substanzen verzichtet werden sollte. Diese Vorsicht gilt auch für Methotrexat (MTX) (z.B. in CMF) , die Antihormontherapie (endokrine Therapie), eine Anti-HER2-Therapie, Bisphosphonate und Denosumab. Hier sollten weitere Daten abgewartet werden, bevor ein Einsatz in der Schwangerschaft erfolgt. Es gibt in der Regel keinen Grund die Schwangerschaft vorzeitig zu beenden. Die Entbindung sollte erst bei ausreichender kindlicher Reife (also nach dem 9. Monat) erfolgen.
Dabei gilt:
- Eine Beendigung der Schwangerschaft verbessert den mütterlichen Erkrankungsverlauf nicht!
- Über die Art der Entbindung (Spontangeburt, Kaiserschnitt) sollte wie bei gesunden Schwangeren entschieden werden.
- Eine Entbindung zum Zeitpunkt einer Immunschwäche nach Chemotherapie (im Leukozytennadir, also z.B. Tag 10 nach EC/AC) sollte wenn möglich vermieden werden
- Sollte eine medikamentöse Therapie nach der Entbindung fortgeführt werden müssen, kann Stillen möglicherweise „verboten“ sein, da die Medikamente mit der Muttermilch zum Kind gelangen könnten.
29. Juni 2021 | Autorin: Prof. Dr. Pia Wülfing